Eine Auswahl an Kurzgeschichten die ich in den letzten Tagen gelesen habe.
Die Seele des Königs von Brandon Sanderson
"Die Seele des Königs" (eigentlich des Kaisers) handelt von Shai, einer sogenannten Fälscherin, die nach einen misslungen Diebstahls kaiserlicher Insignien auf ihre Hinrichtung wartet. Jedoch wird ihr das Angebot unterbreitet sie Freiheit zu erlangen, wenn es ihr gelänge die Seele des Kaisers zu fälschen, dessen Hirn nach einen Attentat Matsch ist. Die Seele eines fremden Menschen zu fälschen, ist eine Herausforderung, die noch niemand wagte und die dazugehörigen Stempel zu fertigen würde Jahre in Anspruch nehmen. Doch Shai hat nur 98 Tage Zeit, denn dann endet die Trauerzeit um die verstorbene Kaiserin und die Regierenden müssten den Kaiser wieder der Öffentlichkeit präsentieren.
Für die Novelle erhielt Sanderson seinen ersten und bisher einzigen Hugo Award. Äußerst verdient, denn sie ist hervorragend geschrieben und behandelt die Frage der Seele, aber vor allem was Kunst eigentlich ist und ob Fälschung eine eigene Kunst sein kann. Auf wenigen Seiten entwirft Sanderson wieder ein sehr stimmiges und einzigartiges Magiesystem und zaubert nebenher äußerst sympathische Charaktere. Die Geschichte ordnet sich, wie seine meisten High Fantasy Geschichten, in das übergeordnetes Cosmere ein und spielt auf der selben Welt wie Sandersons Debüt Roman "Elantris", kann aber absolut eigenständig gelesen werden. In den letzten Jahren habe ich sehr viel von ihm gelesen, das meiste ist absolut großartig und er ist definitiv einer der produktivsten Genre Autoren.
Legion von Brandon Sanderson
Der Heyne Verlag hat "Die Seele des Königs" gesammelt mit zwei weiteren Novellen veröffentlicht, eine davon ist "Legion". Sanderson ist in Deutschland besonders für seine High Fantasy bekannt, die wohl auch sein Hauptwerk bildet, allerdings kann er auch Science Fiction und da ist" Legion" ein weiterer Beweis für. Die Geschichte handelt vom vermögenden Stephen Leeds, einer Art Detektiv und Problemlöser, der an einer multiplen Persönlichkeitsstörung "leidet". (Die Psychologen unter euch mögen mir verzeihen, wenn es nicht der korrekte Terminus ist) Ihm wird von einer Dame ein reizvolles Rätsel offeriert, denn es gilt eine Kamera wieder zu beschaffen, die Bilder aus der Vergangenheit aufnehmen können. Was natürlich herrlichen philosophischen Stoff um die möglichen Konsequenzen einer solchen Technologie bietet.
Zudem verfolgt man einen äußerst treibenden Krimi-Plot mit entsprechenden Wendungen, erzählt in einen schnellen, aber nie hektischen Tempo aus der Ich-Perspektive. Die Interaktion zwischen ihm und seinen Aspekten/Halluzinationen ist äußerst unterhaltsam, charmant witzig und nie albern. Es ist eine wirklich tolle Geschichte, schade das die zwei weiteren Novellen als auch die exklusive Audio-Produktion es bisher nicht nach Deutschland geschafft haben. Die dritte in der Sammlung befindliche Novelle steht noch aus und muss auch erstmal hinter anderen zurück stecken, weil ich andere Sachen auf den Zettel habe und es auf einen Videospiel basiert, zudem ich keinen Bezug habe.
Schattungen der Stille in den Waldungen der Hölle von Brandon Sanderson
Hinter den wenig eingängigen Titel verbirgt sich eine weitere Kurzgeschichte aus Sandersons Cosmere, veröffentlicht in der von Gardner Dozois und George R.R. Martin herausgegeben Anthologie "Dangerous Women", in Deutschland als "Königin im Exil und 20 weitere Kurzromane" veröffentlicht, die hier titel-gebende Story stammt von Sharon Kay Penman. Die Sammlung versammelt sowohl Fantasy als auch Science Fiction mit weiblichen Protagonisten, was ziemlich gut in meinen aktuellen Leseschwerpunkt feministische und oder weibliche Science Fiction passt, als auch natürlich meinen George R.R. Martin Leseprojekt, der hier auch selbst eine Geschichte beiträgt, die die Grundlage für "House of the Dragon" liefert.
Wie dem auch sei, in Sandersons Geschichte befinden wir uns auf den Planeten Threnody, genauer in den Waldungen, auch als Wald der Hölle bezeichnet. In diesen führt Stille mit ihrer Tochter und Adoptivtochter ein Wirtshaus, in dem sich so maches Gesindel trifft, doch niemand ahnt das hinter Stille der Kopfgeldjäger Weißer Fuchs steckt und das Wirtshaus als Köder für potentielle Opfer dient. Stille stellt ihre Opfer in den Waldungen, was sich deswegen als kompliziert heraus stellt, das sie unter anderem kein Blut vergießen darf, welches sofort die Schatten anlocken würde.
Diese Geschichte hat Horror-Vibes, ist von den heute vorgestellten Sanderson Geschichten die Schwächste, aber eben auf einen hohen Niveau und Stille mach dem Titel gefährliche Frau alle Ehre.
Gute Nacht. Traurigkeit von Xia Jia
Veröffentlicht in der von Ken Liu herausgegeben Anthologie "Zerbrochene Sterne", ursprünglich 2015 im chinesischen Magazin "Science Fiction World". Es handelt sich um eine zwei geteilte Geschichte, die ungeraden Kapitel behandeln eine an Deppresionen leidende junge Frau in Schanghai, die mit Hilfe von Therapie KIs diese überwinden will. In den Kapiteln mit den geraden Nummern wird eine fiktionalisierte Geschichte von Alan Turing erzählt und dessen Gespräche mit der fiktiven Rechenmaschine Christopher. Das geschieht derart geschickt, dass es schwer fällt Fiktion und Realität zu trennen, besonders dieser Part ist eine wahre Meisterleistung. Es geht einmal mehr um die Definition von Bewusstsein, Emphatie und Intelligenz. Erkennen wir das Potential von Maschinen an oder sind wir selbst nur eine komplexe Maschine. Wunderschön geschrieben und emotional mitreißend. Eine wirklich wunderbare Geschichte.
Mondnacht von Cixin Liu
Ebenfalls in "Zerbrochene Sterne" veröffentlicht handelt von einen beratenden Wissenschaftler, der von seinen zukünftigen Ich kontaktiert wird und gebeten wird, den drohenden Klimawandel zu stoppen und stellt ihn dafür eine moderne Solarenergietechnologie zu Verfügung. Und das hat ungeahnte Konsequenzen. Cixin Liu ist der mit Abstand beachtete Autor der chinesischen Science Fiction, ich habe seine "Trisolaris" Trilogie auch mit Freuden gelesen und er hat tolle Ideen, keine Frage. Allerdings gefällt mir sein Stil nicht sonderlich, er erinnert im negativen Sinne an lästige Anime Tropes. Die Figuren führen oft anstrengende, unnatürliche Exposition Dialoge und es wirkt gerne mal das der eine oder andere Gesprächsteilnehmer wie ein Vollidiot behandelt wird, obwohl sie geistig auf dem selben Level sein würden. Auch sein, wohl der chinesischen Erziehung entstammenden, unerschütterlichen Glauben an der Fähigkeit des Menschen im Kollektiv arbeiten zu können und so weiter. Das mag natürlich auch an der Übersetzung liegen, aber inzwischen habe ich Texte von Cixin Liu von diversen Übersetzern gelesen und es gibt doch eine gewisse Kontinuität und andere chinesische Sci-Fi Geschichten empfinde ich ja sprachlich auch als deutlich angenehmer. Solide Geschichte, aber mit Abstand die schwächste unter meinen heutigen Kandidaten und trotzdem bin ich ziemlich gespannt auf die Netflix Adaption der "Drei Sonnen"
Das Drachenpferd von Xia Jia
Gesammelt in einen Büchlein des Kapsel Magazin. Diese weitere Geschichte von Xia Jia ist eine Fabel um ein mechanische Skulptur, die einer Sagengestalt der chinesischen Folklore nachempfunden wurde und als Geschenk zur Völkerverständigung zwischen dem Westen und China gebaut wurde. Mit der Verständigung war es aber wohl nicht soweit her, denn das Drachenpferd wandelt über eine postapokalyptische Erde, die Menschen scheinen verschwunden. Es stößt auf eine Fledermaus und die beiden erzählen sich allerlei Geschichten. Sehr allegorische Geschichte, wieder sehr einnehmend, aber nicht ganz so ergreifend wie "Gute Nacht, Traurigkeit".
Wie andere Spezies Bücher lesen von Ken Liu
Der hauptsächliche Kaufgrund des Kapsel Magazin Buchs. Ken Liu ist als chinesisch-stämmiger Amerikaner ein Kind zweier Welten und ein großer Förderer der chinesischen Science Fiction, so übertrug er "Die Drei Sonnen" von Cixin Liu ins Englische und machte sie zu einen Welterfolg. Aber vor allem ist er selbst ein begnadeter Autor, leider sind Übersetzungen ins Deutsche mehr als rar. Auf Kurzgeschichten von ihm basiert etwa die "Love, Death and Robots" Episode "Good Hunting" und die grandiose Serie
"Pantheo. Die Geschichte selbst ist schwer zu beschreiben, aber der Titel sagt eigentlich alles, wer schon immer mal wissen wollte, auf was für unterschiedliche Arten außerirdische Arten Bücher lesen ist hier genau richtig. Sehr kreativ und elegant geschrieben, absolut lesenswert.
Venedig unter Wasser von Kim Stanley Robinson
Ich lese gerade Robinsons "Mars Trilogie" und anschließend den brandaktuellen "Das Ministerium der Zukunft" und flankiere es mit seinen Kurzgeschichten. Eine die mir besonders gefallen hatte, war das 1981 entstanden "Venedig unter Wasser", aus der Sammlung "Geschöpfe der Sonne". 2040 sind Küsten nahe Städte den steigenden Meeresspiegel zum Opfer gefallen, so auch die Lagunenstadt Venedig. Robinson gehörte zu einen der frühen Warnern vor dem anthropogener Klimawandel, das Hauptthema ist allerdings der Umgang mit kulturellen Erbe. Der Protagonist ist einer der letzten verliebenden Venezianer, der sich als Bootsführer verdient, aber seine Kundschaft vergrämt, so auch zwei Japaner, die ein Fresko abbauen wollen und nach Japan schaffen. Obwohl sie eine amtliche Erlaubnis haben, ist er alles andere als begeistert....