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Ich habe heute C. R. Rodenwalds "Heikedine Körting: Die Königin der Hörspiele" beendet:

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Heikedine ist eine lebende Legende. Seit den frühen Siebzigern, als sie von einer Zeitung noch „Die Märchentante vom Amtsgericht“ genannt wurde, ist sie im Hörspielbereich tätig und auch mit über achtzig Jahren lässt ihr liebstes Hobby sie nicht zur Ruhe kommen. In der längst überfälligen Biografie erzählt C.R. Rodenwald die beeindruckende und gut recherchierte Lebensgeschichte dieser beeindruckenden Frau. Von ihrer Kindheit und Jugend in Lübeck, dem Jura-Studium sowie ersten Erfahrungen mit Musik und Schauspielerei in Hamburg, wie sie ihren späteren Ehemann Andreas Beurmann (dem damaligen Chef von Europa) kennenlernte und über ihn zu den ersten Hörspielproduktionen kam. Wie es „Hanni & Nanni“ und Hui Buh“ losging, es in den 1980er Jahren mit den „Drei ???“ und „TKKG“ zur goldenen Hörspiel-Ära kam. Aber es geht auch um die weniger erfolgreiche Zeit Anfang der Neunziger und dem Aufschwung um die Jahrtausendwende herum. Zahlreiche Weggefährten und vor allem Sprecher kommen zu Wort. Sie alle sind voll des Lobes für die Frau mit dem ungewöhnlichen Vornamen. Manchmal ist es fast ein bisschen zu viel Lob. Aber verdient hat Frau Körting es allemal. Das Buch über „Die Königin der Hörspiele“ kann ich jedem empfehlen, der mit den von Körting produzierten Kindergeschichten aufgewachsen ist. Und natürlich allem, die mehr über das Geschehen hinter den Kulissen und die dafür verantwortliche Frau erfahren will.
 
Wolfgang Hohlbein - Azrael
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Von Hohlbeins Erwachsenenbüchern aus den 90ern für mich definitiv der beste Roman. Über eine lange Zeit sehr mysteriös, spannend bis zum Schluss und in den richtigen Momenten schön gruselig. Auch wenn es so etwa in der Mitte ein Kapitel gibt, bei dem ich mich schon gefragt hab was das soll. Hier schießt Hohlbein über das Ziel hinaus und das geschriebene wirkt nicht gruselig (wie es sein sollte) sondern eher saukomisch. Das hab ich schon damals als störend empfunden. Aber da das Kapitel eh recht losgelöst vom Rest ist, kann man es zur Not auch einfach ignorieren (was ich beim Lesen dann auch getan habe). Dafür finde ich das Auftaktkapitel nach wie vor absolut perfekt. Und ja, auch hier wird wieder das eine oder andere Klischee zelebriert, aber für mich nicht so störend wie im Druidentor.
 
Wolfgang Hohlbein - Azrael - Die Wiederkehr

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Wie heißt es so schön: Fortsetzung die eigentlich keiner braucht. Bei Erscheinen fand ich das Buch eher semi-gut (insbesondere im Vergleich zum Vorgänger). Das bleibt es zwar, aber der Abstand ist geringer geworden :biggrin:. Insgesamt gibt es wie üblich bei Fortsetzungen mehr Blut, mehr Tote, mehr geheime Regierungsorganisationen, usw. Insgesamt trotzem ordentlich geschrieben (insbesondere die Morde - die teilweise schon beim Lesen Wehtun), aber halt auch einiges an Klischees. Vor allem am Schluss. Spaßig zu lesen, und dieses Mal mit einem entgültigen Ende.
 
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Psychic Teenage Bloodbath (2022)

Die US-Kleinstadt Clinton im Jahr 1978. Nach einem Gerangel mit ihren Peinigern stürzt die 17jährige Susan beim Schulball durchs Oberlicht & zerschellt auf dem mehrere Meter darunter liegenden Buffettisch. Sie überlebt schwerst verletzt, liegt aber seitdem im Koma. Ein knappes Jahr später. Ein knappes Jahr gefangen in einem nahezu toten Körper, bei vollem Bewusstsein, ohne Schlaf, voller Wut & Zorn. Und endlich auch mit gewaltigen psychischen Kräften. Susan entfacht ein wahnsinniges Inferno, wie es die Welt noch nicht gesehen (bzw. gelesen) hat.

Ein extra-derber Carrie/Scanners-Remix, auf 180... ach, was sag ich... auf 690 gedreht. Doch das abartige Gemetzel ist nur die eine, wenngleich weit saftigere Seite der Medaille. Auf der Rückseite wird einerseits die Hölle High-School glaubhaft geschildert, andererseits auch eine queere & richtig süße Love-Story erzählt. Die Protagonistinnen Charlie (Susans Freundin) & Lynette (Charlies Neue) sind ein liebenswertes Pärchen, mit dem man gut mitfiebern kann. Autor Carl John Lee (= David Sodergren) schreibt flüssig & bildhaft, da kommt das Kopfkino gleich in Schwung, ohne dass man sich mit zu viel Fett auf den (blutigen) Rippen herumärgern muss. Die Fortsetzung fällt leider in die Kategorie unnötig.
 
Michael A. Stackpole - Der Kampf des Jedi
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Mal wieder eines der besseren Bücher aus dem Star Wars Kosmos. Hauptcharakter Corran Horn (bekannt überwiegend aus der X-Wing Reihe) befindet sich auf der Suche nach seiner entführten Frau. Und um diese Suche erfolgreicher zu gestalten, versucht er in der Jedi-Akademie seine Jedi-Kräfte zu verbessern. Und darin liegt eigentlich die Krux der Geschichte. Denn das Buch zerfällt in zwei Hälften. Die erste Hälfte beschäftigt sich fast nur mit Corrans Zeit in der Akademie, die zweite Hälfte dann mit der Suche nach seiner Frau. Beide Teile einzeln betrachtet sind toll geschrieben, insgesamt wirkt das ganze aber etwas befremdlich. Dazu kommt, das der Handlungsstrang auf der Akademie teilweise paralell zu Kevin J. Andersons Jedi Akademie Trilogie spielt, aber Corran dort nicht erwähnt wird. Auf der anderen Seite ist es dann aber auch wieder sehr unterhaltsam wenn Corran Luke bezüglich seiner Ausbildungsmethoden ordentlich die Leviten liest.

Kurz gesagt, unterhaltsames Werk, aber bedingt durch die beiden doch sehr unterschiedlichen Hälften fühlt es sich trotzdem irgendwie komisch an.
 
Vaterland (Robert Harris)

Im Jahr 1964: Adolf Hitler hat den 2. Weltkrieg gewonnen und dominiert Europa. Während sich Berlin auf den Geburtstag des Führers vorbereitet, untersucht ein Kripoermittler einen Mordfall. Dabei stößt er zusammen mit einer amerikanischen Journalistin auf eine riesige Verschwörung, die das Nazireich um jeden Preis geheim halten will ...

Sehr starkes und mitreißendes Buch. Neben dem spannenden Kriminalfall lebt "Vaterland" vor allem von der detaillierten und glaubwürdigen Vorstellung, wie die Naziherrschaft in den 1960er Jahren ausgesehen haben könnte. Weil Robert Harris als Hauptcharakter einen Kripoermittler nimmt, kann der im Zuge seiner Nachforschungen natürlich Hitlers Diktatur von oben bis unten durchkämmen, von den Parteibonzen bis zu den Obdachlosen. So kann man als Leser tief in diese beängstigende Welt eintauchen.

Bisher gibt es nur eine TV-Verfilmung des Buches mit Rutger Hauer. Würde mich wirklich freuen, wenn da mal noch ein Kinofilm folgen würde. Vielleicht liest ja zufällig Edward Berger hier mit und möchte nach "Konklave" von Harris gleich auch noch "Vaterland" auf die Leinwand bringen :zwinker2:
 
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Originaltitel: Wilde Zeiten - Mein psychedelisches Leben
Herstellungsland: Schweiz
Erscheinungsjahr: 2023
Autorin: Susanne G. Seiler

Inhalt:

Fünf Lebensgeschichten von Menschen, die psychedelische Geschichte schrieben und die Biografie der Autorin prägten. Susanne G. Seiler zählte sie zu ihren Freunden oder kannte sie persönlich. Anhand von Gesprächen und Erlebnissen, Protokollen, Artikeln, Biografien führt Wilde Zeiten uns in unbekannte innere und äußere Räume. Timothy Leary, Albert Hofmann, Claudio Naranjo, John C. Lilly und Terence McKenna – sie alle waren Pioniere der Bewusstseinsforschung. Schon früh erkannten sie das Potenzial psychoaktiver Naturheilmittel für Pharmakologie, Psychiatrie und Psychologie, ehe es aus politischen Gründen zur Kriminalisierung dieser Präparate kam.

Review:

Frau Susanne G. Seiler zählt zu den prägenden Persönlichkeiten der psychedelischen Bewegung. Meinen Recherchen und Berechnungen zufolge wurde sie im Jahr 1948 in der Schweiz geboren. Sie ist seit vielen Jahren als Mitarbeiterin der gaiamedia Stiftung tätig, die am 23. Juli 1993 in Basel gegründet wurde. Ziel der Stiftung ist es, Wissen zu vermitteln, das zu einem ganzheitlichen Verständnis von Natur, Mensch und Bewusstsein beiträgt. Innerhalb dieser Institution fungiert Frau Seiler auch als Redakteurin der gaiamedia goodness und verantwortet die Konzeption und Organisation der Psychedelic Salons in Zürich und Basel. Darüber hinaus war sie in früheren Jahren Redakteurin des Sphinx-Magazins und ist von akademischer Ausbildung her Soziologin sowie Linguistin.

Im Jahr 2023 veröffentlichte Frau Seiler im renommierten Nachtschatten Verlag ihr autobiografisches Werk mit dem Titel WILDE ZEITEN – MEIN PSYCHEDELSICHES LEBEN. In diesem Buch schildert sie ihre persönlichen Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen und reflektiert ihre Begegnungen mit bedeutenden Persönlichkeiten der psychedelischen Szene, darunter Timothy Leary, Albert Hofmann, Claudio Naranjo, John C. Lilly und Terence McKenna. Ziel der Publikation ist es, einen persönlichen, authentischen Einblick in ihr Leben und Wirken zu geben, jenseits wissenschaftlicher Abhandlungen oder theoretischer Analysen.

Das Buch vereint in fünf Kapiteln "autobiografische" Erzählungen, die sowohl persönliche als auch gesellschaftlich-kulturelle Dimensionen der psychedelischen Bewegung beleuchten. Besonders hervorzuheben sind die Schilderungen ihrer Begegnungen mit Leary, Hofmann und McKenna, drei Persönlichkeiten, die in der psychedelischen Kultur eine zentrale Rolle spielen. Für Leserinnen und Leser, die sich bereits mit diesen Figuren beschäftigt haben, bieten Seilers Darstellungen wertvolle ergänzende Perspektiven und Einblicke in deren Wirkung auf Mitmenschen.

Frau Seilers Reisen führten sie in viele Länder und kulturelle Kontexte, was sich auch in zahlreichen erzählten Episoden widerspiegelt. Neben gesellschaftlichen und kulturgeschichtlichen Beobachtungen geht sie auch auf persönliche Aspekte ein, etwa Beziehungen und familiäre Entwicklungen. Dabei wird deutlich, dass sie trotz, oder gerade wegen, einer bewegten Biografie stets authentisch blieb und sich nicht von ihrem Weg abbringen ließ.

Die Lektüre des Buches vermittelt bisweilen den Eindruck eines abenteuerlichen Lebenswegs, geprägt von intensiven Begegnungen, innerem Wachstum und einem tiefen Respekt vor den Möglichkeiten des erweiterten Bewusstseins. Insbesondere hebt Frau Seiler die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit psychedelischen Substanzen hervor, unter Einhaltung eines geeigneten „Set und Settings“ sowie einer bewussten Dosierung, als Voraussetzung für tiefgreifende, heilende Erfahrungen.

WILDE ZEITEN ist eine empfehlenswerte Lektüre für all jene, die sich für autobiografische Erzählungen, persönliche Entwicklungsprozesse und die Geschichte der psychedelischen Kultur interessieren. Frau Seiler gelingt es, das Thema auf eine reflektierte, nicht-verherrlichende Weise darzustellen. Ihr Werk ist ein wertvoller Beitrag zum kulturellen Gedächtnis jener Bewegung, deren Wurzeln tief in die spirituelle, wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte reichen.

Fazit: Mit WILDE ZEITEN – MEIN PSYCHEDELISCHES LEBEN legt Susanne G. Seiler ein eindrucksvolles autobiografisches Zeugnis vor, das gleichermaßen persönliche Erfahrungen wie auch kulturelle Entwicklungen der psychedelischen Bewegung dokumentiert. Ihr lebenslanger Einsatz für ein erweitertes Bewusstseinsverständnis, ihre Vernetzung mit Schlüsselfiguren der Szene sowie ihre reflektierte, verantwortungsbewusste Haltung gegenüber psychoaktiven Substanzen verleihen dem Werk sowohl Authentizität als auch historische Relevanz.

Das Buch bietet nicht nur Einblicke in ein bewegtes Leben, sondern auch in die tiefgreifenden Potenziale psychedelischer Erfahrungen, wenn sie mit Sorgfalt und Bewusstsein eingesetzt werden. Seilers Erzählweise ist persönlich, aber nicht beliebig – subjektiv, ohne ins Anekdotische abzurutschen. Damit richtet sich das Werk an ein breites Publikum: an Interessierte der psychedelischen Kultur ebenso wie an Leserinnen und Leser, die autobiografische Lebensgeschichten mit Tiefgang und kulturellem Bezug schätzen. WILDE ZEITEN ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur einer Bewegung, deren Bedeutung heute aktueller denn je erscheint.
 
Ich habe neulich dieses Buch beendet:

Andreas Eschbach - Die Auferstehung: Ein Roman aus der Welt von „Die drei ???" (2025)

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Vor dreißig Jahren war Justus Jonas Teil eines befreundeten Detektiv-Trios, das zahlreiche Kriminalfälle im kalifornischen Küstenstädtchen Rocky Beach aufgeklärt hat. Inzwischen ist er ein einsamer mittelalter Mann, der den Schrottplatz seines verstorbenen Onkel Titus übernommen hat. Mit Detektivarbeit hat er eigentlich gar nichts mehr am Hut. Dennoch kann er nicht anders, als einen neuen Fall zu übernehmen, als er erfährt, dass die viele Jahre als vermisst geltende Tochter von Alec Hitfield plötzlich wieder aufgetaucht ist. Doch ist Tracy wirklich die, für die sie sich ausgibt? Auch Bob Andrews, der mittlerweile als Literaturagent arbeitet, wird auf die Sache aufmerksam, als ihn sein Chef bittet, mit Tracy Hitfield Kontakt aufzunehmen und sie zu einem Buchvertrag zu überreden. Bob erzählt seinem Freund Peter Shaw davon, der zunächst wenig an der Sache interessiert ist. Vor allem da Justus involviert ist, mit dem Peter seit Jahren kein Wort gewechselt hat. Und so agieren die drei ehemaligen Freunde zunächst unabhängig voneinander. Als Leser hofft man natürlich, dass sich ihre Wege irgendwann kreuzen und selbstverständlich tun sie das irgendwann.

Zugegeben, ganz neu ist die Idee mit den gealterten Detektiven nicht. Vor ein paar Jahren hatten Christopher Tauber & Hanna Wenzel in der Graphic Novel „Rocky Beach: Eine Interpretation“ bereits ein ziemlich ähnliches Grundkonzept verwendet. Das allerdings ist keinesfalls ein Grund, Andreas Eschbachs Drei-Fragezeichen-Krimi weniger Beachtung zu schenken. Die Geschichte ist nämlich richtig, richtig gut. Sie ist atmosphärisch dicht, angenehm komplex und so spannend, dass ich zweimal die halbe Nacht durchgelesen habe – das habe ich zuvor schon seit Jahren nicht mehr getan. Außerdem behandelt „Die Auferstehung“ nicht nur einen erwachsenen Fall, auch die Probleme der drei Protagonisten sind deutlich anders als früher. Die ganze Geschichte ist erheblich düsterer als frühere ???-Romane und definitiv kein spaßiges Sommerabenteuer. Trotzdem (oder gerade deswegen) war es eine großartige Unterhaltung. Mir hat die Neuinterpretation sehr gefallen und ich würde mich freuen, wenn Andreas Eschbach dieser „Auferstehung“ noch weitere folgen lässt.
 
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Insel der Meerjungfrauen (2013)

Die (überwiegend kurzen) Romane von Carlton Mellick III strahlen eine ganze eigene Faszination aus, nicht nur aufgrund der (oft aberwitzigen) Plots, sondern auch wegen des (sehr einfach gehaltenen) Stils. Literaten werden da vermutlich die Nase rümpfen (nicht, dass sie seine Romane lesen würden), aber mir sagt das durchaus zu, eignen sie sich doch damit ideal als nicht sonderlich anspruchsvolle Häppchen für zwischendurch.

Insel der Meerjungfrauen dreht sich um einen exzentrischen (& schwerkranken) Doktor, der auf der Insel Siren Cove nach dem Rechten sehen soll. Dort gibt es ein Problem mit den Meerjungfrauen, fressen die streng geschützten Biester doch nicht das, was sie fressen sollen. Stattdessen machen sie Jagd auf die Inselbewohner, was denen gar nicht gefällt, schließlich ist sogar Gewaltanwendung zur Verteidigung bei Strafe faboten, weil "endangered species". :teach: Das ist die Ausgangssituation. Im Verlauf des ca. 200 Seiten langen Buches tut sich da natürlich noch so manch anderes, bizarres, geisteskrankes, abartiges, merkwürdiges, absurdes. :smiley3: Der Back-Cover-Text verspricht "eine Kreuzung von H. P. Lovecraft und David Lynch - nur viel, viel abgedrehter" & liegt damit gar nicht so weit daneben. :zwinker: Hat mir gut gefallen.
 
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Nacht über Soho (2022)

London, Frühjahr 1926. Nellie Coker, die mit allen Wassern gewaschene Matriarchin des Coker-Clans & Herrscherin über ein einträgliches Nachtclub-Imperium in Soho, wird aus dem Gefängnis entlassen. Der von Scotland Yard ins Polizeirevier von Soho versetzte Chief Inspector John Frobisher ermittelt im Fall von verschwundenen Mädchen, hat außerdem die Cokers im Visier & ist darüber hinaus auch noch einem Maulwurf im Team auf der Spur. Die ehemalige Bibliothekarin Gwendolen Kelling sucht in London nach zwei Ausreißerinnen, die von einer Karriere als Tänzerinnen träumen. Ihre Nachforschungen führen sie nach Soho...

Die britische Schriftstellerin Kate Atkinson entführt uns mit Shrines of Gaiety (= OT) in das verruchte London der "roaring 20s" & dies so stimmungsvoll & detailverliebt & glaubhaft, dass man sich glatt darin verlieren könnte, wobei der Fokus auf den grandios gezeichneten Figuren liegt, mit denen man teils mithofft, mitbangt & mitleidet. Die mit großzügigen Dosen trocken-britischen Humors versetzte Geschichte entfaltet sich sehr bedächtig, gewinnt jedoch rasch einen unwiderstehlichen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte & schon gar nicht wollte. Eine ungemein fesselnde Lektüre, auf die ich mich bestimmt noch ein weiteres Mal einlassen werde.
 
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Originaltitel: Cannibal Genocide
Herstellungsland: Deutschland
Erscheinungsjahr: 2021/2025
Autor: Jean Rises

Inhalt:

North Sentinel Island: Abgeschnitten und isoliert von der modernen Welt lebt das letzte indigene Urvolk. Jeder der ihr Land betritt, wird ohne Vorwarnung getötet. Eine Gruppe rund um einen Söldner wird von einem zwielichtigen Konzern beauftragt, nach Jahrzehnten den Kontakt zu den Wilden herzustellen, um einen verschollenen Missionar zu bergen. Doch einer in der Gruppe hat einen geheimen Auftrag.

Review:

2022 erschien von dem deutschen Horrorfan- als auch Autor Jean Rises ein kurzweiliger Roman, der sich mit der bescheidenen Truppe um dem Söldner Kyle Stivaletti, Professor für Anthropologie und Ethnologie Alan Smithee, dem Techniker und Geologen Jonathan Morghen, der Ärztin Rebecca Campbell und zwei Einheimischen des Onge-Volkes, Japiro Cochise und sein Cousin Pipo, beschäftigt, die von Stuart Parker den Auftrag bekommen haben, auf die Insel North Sentinel Island auf zu brechen, um dort seinen Sohn, den Geistlichen Adam Parker und sein Begleiter Mace, zu suche, von denen nichts mehr zu hören und zu sehen war.

So viel zum Inhalt, der sich erstmal harmlos anhört, es aber bei Weitem nicht ist. Hintergrund dieses Romans ist eine Geschichte, die sich 2018 zugetragen hat, als sich der US-amerikanische Missionar John Allen Chau dem Verbot, die Insel zu betreten, widersetzte und dafür mit seinem Leben bezahlte, denn die Sentinelesen sind sehr darauf bedacht, das sie ungestört bleiben und gehen nicht gerade zimperlich mit Fremdlingen um, die ihre Insel betreten. Gefunden wurden John Allen Chau´s Leiche nie.

North Sentinel Island im Golf von Bengalen ist Heimat der Sentinelesen, einem isolierten indigenen Volk. Ihr Kontakt zur Außenwelt ist seit Jahrtausenden minimal, da sie jegliche Annäherung aggressiv ablehnen. Die indische Regierung hat das Betreten der Insel gesetzlich verboten und eine Sperrzone von fünf Kilometern eingerichtet. Der Hauptgrund ist der Schutz der Sentinelesen: Sie besitzen keine Immunität gegen gängige Krankheiten, und selbst harmlose Infektionen könnten tödlich für sie sein. Zudem besteht Lebensgefahr für Außenstehende! Frühere Versuche, die Insel zu betreten, endeten teils tödlich. Ethnologen und Menschenrechtsorganisationen unterstützen das Verbot, um das Recht der Sentinelesen auf Selbstbestimmung und den Erhalt ihrer Kultur zu wahren. Die Insel bleibt bewusst unberührt, zum Schutz beider Seiten.

Eine derartige Geschichte als auch die Hintergrundinformationen lassen natürlich viel Raum für Spekulationen, besonders darauf, ob es sich bei den Sentinelesen um Kannibalen handelt oder nicht. Bewiesen ist in dieser Sache nichts, aber es gibt Gerüchte, die jedoch nie belegt werden konnten. So bleibt einem nur übrig, sich seine eigene Gedanken und eine Meinung über den Sachverhalt zu machen.

Inhaltlich konnte ich ein paar Parallelen zu der Story um den Missionar John Allen Chau aus machen, aber Jean Rises wäre nicht Jean Rises, wenn er seine Romane mit einigen weiteren Dingen ausschmückt, die eben der Fantasie entspringen...oder dem italienischen KannibalenFilm, der seitens Umberto Lenzi´s 1972 los getreten wurde und einige Exploitation-Kracher mit sich zog seitens diverser Regisseuren. So bildet der Roman ein unterhaltsames Gemisch aus einem Abenteuer-, Horror und Splatter-Roman, der sich flüssig liest sowohl als auch bestens unterhält.

Was mich besonders freute, war, das man Giovanni Lombardo Radice für das Vorwort einspannen konnte, der ein paar Worte zum italienischen Mondo- als auch Kannibalenfilm beitragen durfte und von dem Dreh zu DIE RACHE DER KANNIBALEN aka CANNIBAL FEROX erzählte und wie er den Dreh insgesamt wahr genommen hat. Allein dafür schon, lohnt es sich, sich das Buch zu holen, ganz davon zu schweigen, wenn man Fan der italienischen Horrorfilm-Kunst ist, die bis heute noch sehr populär ist und weltweit Massen an Fans hat.

2025 erschien von CANNIBAL GENOCIDE ergänzend noch der Writer´s Cut, dessen Buch knapp doppelt so dick ist wie sein Vorgänger und ein alternatives Ende und zusätzlich einen Kurzroman namens AGHORI - DIE FURCHLOSEN beinhaltet. Das Komplettpaket passt in diesem Fall wie der Speer in die Magengrube und wird hoffentlich noch weitere Anhänger finden, weil das Buch mit dem Hauptroman sehr gut geschrieben ist und ein perfekter Zeitvertreib ist, wenn man Bock auf eine Reise in Gefilde hat, die in der Realität jedem verschlossen bleiben.
 
@KvedulfsHowl: jetzt tut hier der Heuler so, als kenne er das Döblin-Werk. Wohl auch ein kleiner Kultur-Fuchs. Hä? :zwinker2:
Scheinbar passen Wölfe und Literatur ganz gut zusammen. 👍

Wobei ich für das Buch tatsächlich zwei Anläufe gebraucht habe.

Die 85 Seiten, die ich heute gelesen habe, fand ich toll - allein schon wegen des Ideenreichtums, mit dem Döblin Jahrhunderte fehlgeleiteter Entwicklungen beschreibt, die dann im zweiten großen Kapitel zum Krieg führen (und die einem in einigen Punkten gerade heutzutage sehr vertraut vorkommen).

Seinen "Berlin Alexanderplatz" mochte ich auch sehr, was dann durch die Verfilmungen von 1931 bzw. 1980 noch verstärkt wurde.
 
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Alfred Döblin - Berge Meere und Giganten (1924)

So, gerade habe ich dieses Buch zu Ende gelesen.

Ja... wie könnte ich im Entferntesten hoffen, mich diesem Mammutwerk in Worten angemessen zu nähern? Döblins Epos umspannt 6 Jahrhunderte, in deren Verlauf mächtige Herrscher kommen, gehen, zu Legenden und Fabeln werden; in denen die Menschheit sich in wellenartiger Bewegung gegenüber der Natur immer und immer wieder neu positioniert, sich ihrer bemächtigt oder zu ihr zurückfindet; in denen globale Krisen (Völkerwanderungen, Revolutionen, Kriege) unaufhörlich das Antlitz der Welt verändern; in denen Dinge unvorstellbaren Ausmaßes geschehen, weil die menschliche Hybris keine Grenzen kennt.

Wow. Echt, dieses Buch hat mir etwas von dem Gefühl zurück gegeben, das ich früher immer hatte, wenn ich ein mir völlig unbekanntes Werk in die Hand bekam und es sich als grandiose Neuentdeckung entpuppte. Bis vor 10 Tagen wusste ich ja nicht mal, dass es diesen Roman gibt und jetzt... jetzt glaube ich, dass ich ihn wohl niemals wieder ganz vergessen werde. Manche Passagen waren in ihren nicht endenden Beschreibungen verschiedener Naturgewalten etwas mühsam, aber daneben stehen viele Passagen von einer solchen erzählerischen Kraft und Schönheit, dass ich mehr als einmal Gänsehaut hatte. Einen harten Kontrast bilden dann besonders grausige Szenen, die dem Body Horror eines David Cronenberg um nichts nachstehen. Das alles wird zusammengehalten von Döblins unfassbarem Ideenreichtum, immer wiederkehrenden Motiven und Rückbesinnungen auf frühere Kapitel, die gegen Ende des Buches den Status von Mythen und Sagen eingenommen haben.

Ein Buch, wie es wohl kein Zweites gibt.
 
Das hier habe ich heute begonnen:

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Nikos Kazantzakis - Die letzte Versuchung

Martin Scorseses Verfilmung hat mir ganz ausgezeichnet gefallen, die ersten paar Kapitel des Buches sind gleichermaßen vielversprechend.
 
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