Als Lena damals mit "Satellite" gewonnen hat standen in der Final-Sendung von "Unser Star für Oslo" ja drei Songs und zwei Interpreten zur Verfügung. Zwei Songs, die von beiden gesungen wurden und jeweils ein individueller für den jeweiligen Interpreten (bzw. die Interpretin, es waren ja mit Lena und Jennifer Braun zwei Frauen). Die Komponisten wurden damals aber absichtlich erst bekannt gegeben, nachdem die Entscheidung gefallen ist. Bei Lena war nämlich ein Lied von Raab und ihr komponiert, aber man hat das vorher nicht kommuniziert, um die Leute nicht zu beeinflussen.
Der Songschreiber-Wettbewerb, der der ESC eigentlich sein soll, ist schon lange in den Hintergrund gerückt. Ein Kriterium ist ja auch, dass die Songs nicht politisch sein dürfen, aber wie oft wird dann latent Politisches eingebaut und wie oft waren Entscheidungen in den letzten Jahren politisch. Die Ukraine hat in den letzten 10 Jahren jedenfalls nicht 2x gewonnen, weil sie so tolle Songs hatten, genau wie sich bestimmte Länder immer Punkte zugeschoben haben, was dann immer mit lauten "Buh"-Rufen quittiert wurde. Auch der Sieg von Conchita war nicht alleine durch die gute Komposition verursacht, sondern eher durch die Gesamterscheinung. Der ESC hat da eben inzwischen seine ganz eigenen Gesetze.
Dass bekannte Acts automatisch Punkte holen ist ebenso wenig garantiert. Die No Angels sind 2008 krachend gescheitert (wobei sie heute auch selbst sagen, dass der Auftritt nicht gut war und das Ganze schon vorab unter keinem guten Stern stand), Cascada hat 2013 ähnlich schlecht mit ihrem "Euphoria"-Abklatsch abgeschnitten. Bonnie Tyler für England war im gleichen Jahr kaum besser. Auch Lord of the Lost hatten einen gewissen Bekanntheitsgrad, der bekanntlich nicht geholfen hat. Also selbst wenn Feuerschwanz den deutschen Vorentscheid durch ihren "Promi-Bonus" gewonnen hätten, hätte das international nicht gleichzeitig bedeutet, dass eine gute Platzierung sicher ist. Klar, "Knightclub" wäre auf jeden Fall auch aufgefallen, aber wäre sicher kein Jury-Liebling geworden und man hätte sich alleine aufs Televoting verlassen müssen.
"Baller" ist auch ein Experiment, aber eine sehr moderne Produktion mit Ohrwurm-Garantie, selbst wenn man vom Text nichts versteht. Einer meiner ESC-Favoriten, die damals auch nicht gewonnen hat, war auch sehr experimentell und ihrer Zeit voraus: Aminata aus Lettland mit "Love Injected" in Wien 2015:
Link: https://www.youtube.com/watch?v=-usdXbeGHi8
Das wirkt heute, 10 Jahre später, noch genauso modern wie damals. Wäre das nicht aus Lettland gekommen, sondern aus Schweden (die ja vor allem bei den Jurys auch immer einen Bonus haben), hätte das wahrscheinlich haushoch gewonnen.