Puh, ich fand den leider gar nicht so anders und viel toller und besser und außergewöhnlicher als alles andere von Marvel seit langer Zeit (ein Internet-Echo, das ja jetzt sogar schon für die TV-Werbung aufgegriffen wurde). Immerhin, ein paar Entscheidungen wurden schon richtig getroffen, was die Erzählstruktur angeht. Als jemand, der mindestens die letzten beiden Marvels (Kraven und Captain) verpasst hat, sind mir zwar gleich wieder diese Andeutungen im Gerichtssaal auf mir unbekannte Fakten aufgefallen (kannte ich aber aus früheren Filmen schon, wenn auf die Ereignisse in den Serien Bezug genommen wurde, die ich allesamt nicht gesehen habe), aber das legt sich spätestens, als die Einzelkämpfer in der Lagerhalle alle erstmals aufeinandertreffen und in eine herrlich absurde Mutation eines Mexican Standoffs geraten. Auch anschließend tut der Film gut daran, den Fokus immer nah an der Gruppe auszurichten. Es wird verstärkt mit dem Balanceakt zwischen den Problemen normaler Bürger und der Übermenschlichkeit von Superhelden gearbeitet, so sehr sogar, dass der Handlungsfaden komplett danach ausgerichtet wird und letztlich sogar zu einer Parabel auf Einsamkeit und soziale Isolation ausgearbeitet wird. Das wird insgesamt auch recht gut mit der Action verwoben; bei einer Kletterpartie in einem Tunnel kommt sogar ein bisschen Nervenkitzel durch, später wird es mit traumatischen Rückblenden auch visuell ein wenig kreativer, wenn auch formelhafter (derartige Trips durch das Unterbewusstsein konjugiert die Videospielindustrie schon seit Jahrzehnten durch).
Aber leider ist auch "Thunderbolts" wie schon viele andere Marvelstreifen zuletzt eine unheimlich trübtassige, graue Angelegenheit. Null Spannung, extrem fade Optik, dramaturgische Kniffe aus der Mottenkiste. Hier ist das Teil keinen Deut besser als das restliche Post-Endgame-Gekröse, sondern eher nochmal ein weiterer Tiefpunkt. Dazu fehlen mir innerhalb des Teams die Ankerpunkte. Florence Pugh ist für mich einfach kein starker Lead, auch wenn sie ihre Sache nüchtern betrachtet gut macht, und die Crew, die sie mitzieht, ist blass wie eh und je. Wären die Avengers eine Fußballmannschaft, würden sie im zweiten Anzug keinen Blumentopf gewinnen. Dass der Film diesen Umstand zum Konzept erklärt, ändert ja nichts an den Fakten. Höchstens Lewis Pullman ragt als tragische Figur ein wenig heraus, und David Harbour macht eben wieder den Partycrasher... aber wer sich über den "Stupid Homer" der späteren Simpsons-Staffeln beschwert hat, dürfte hier eigentlich auch langsam Probleme bekommen.
Irgendwo zwischen 5/10 und 6/10, Entscheidung steht noch aus.