Der "Stern" titelte vor kurzem, dass dieser Film zeige, warum wir einen Regisseur wie Eastwood noch bräuchten. Nach der Kino-Sichtung eben kann ich das nur so unterschreiben.
Juror #2 reizt ganz sicher nicht die Möglichkeiten des im Kino Machbaren aus. Aber muss er das? Pff, einen Dreck muss er! Er ist wunderbares und im besten Sinne altmodisch erzähltes Schauspielerkino, ohne altbacken zu wirken.
Die Situation von Kemp als Haupftigur ist dabei nur das Fundament für eine Abhandlung über den individuellen moralischen Kompass und dass dieser gleich bei mehreren Figuren zu rotieren beginnt, zeigt die Klasse des Drehbuchs. Eastwoods sicheres Gespür für eben diese menschlichen Zwischentöne und seine bodenständige Inszenierung sorgen dafür, dass der unaufgeregte Film trotzdem in jeder Minute spannend ist. Er hat es nicht nötig, Kemps Vergangenheit als alkoholisierter Autofahrer in Rückblenden zu zeigen. Kurze Dialogspitzen und entsprechende Reaktionen reichen hier aus, um das binnen kürzester Zeit glaubhaft zu machen. Auch die anderen Geschworenen geraten nie zum Holzschnitt, auch wenn sie mitunter Abziehbilder repräsentieren: Die Mutter, die urteilen will, um schnell wieder zu ihren Kindern zu können, wirkt trotz der eindimensionalen Anlage ebenso real wie der pensionierte Polizist, der seine investigativen Wurzeln nicht hinter sich lassen kann. Alls diese Gelegenheiten nur der Film auch, um Kemps Dilemma zu verdeutlichen: Bin ich mutig und akzeptiere die Konsequenzen, die nun zwei Leben (und mehr) zerstören könnten? Oder ist es feige, sich und seine Lieben schützen zu wollen?
Es werden Entscheidungen getroffen, Richtig und Falsch ausgelotet und es werden grundsätzliche Fragen über das Verständnis von Gerechtigkeit gestellt. Das alles wird durch eine routiniert-wertige Regie sowie hochklassige Schauspielerleistungen von Hoult über Collette bis zu Simmons präsentiert, die ohne übertriebene Dramatisierungen, aber mit dem nötigen Ernst agieren und uns an ihren Entscheidungen über gegenständliche Entscheidungen und Abwägungen des Lebens teilhaben lassen, sodass wir uns mit Justitia, die immer wieder ihre Waagschale ins Bild hält, Gedanken über uns eigene individuelle Moral machen.
Was anderes als dies soll Kino sein?
8,5 / 10 verhängnisvolle Verstrickungen