Ich hatte am Wochenende das große Vergnügen, schon mal vorab in die kommende Blu-ray reinzuschauen zu dürfen. Mille grazie
@Toxie!
Für mich war es eine Erstsichtung und Beweis genug für einerseits die Kraft des Films und andererseits für die gelungene technische Umsetzung, dass mich die Handlung komplett in Bann genommen hat und mich nach einer halben Stunde fast nicht mehr auf die technischen Aspekte wie Farbgebung oder Kompression, auf die ich eigentlich achten wollte, konzentriert habe.
Wicked Vision hat an der Farbgebung des gelieferten Masters gearbeitet, das offenbar auch die Grundlage der britischen BD in
diesem caps-Vergleich war. Toxie hatte in diesem Thread etwa ab
hier bereits zuvor Beispiele für die herbeigeführten Farbveränderungen gepostet.
Ich kenne den Film somit logischerweise nicht aus dem Kino oder seinen diversen Inkarnationen auf VHS, DVD und den diversen BDs, kann somit hier keineswegs als Autorität oder Advokat dafür auftreten, wie der Film eindeutig auszusehen hat. Kann hier nur schreiben, ob ich das Ergebnis für stimmig oder unstimmig halte.
Ich fand die Farben wirken sehr stimmig und sind konsistent zu dem, wie m. E. Filme Mitte der 70er Jahre eben so aussahen. Die Hautfarben der WV sehen am Gesündesten von allen BDs aus dem Bildvergleich aus, die Cult neigt zu einem kühleren Grünstich und die Criterion sieht zwar interessant, aber ziemlich revisionistisch aus. Außer man hätte in den 70ern mit sehr komplexen photochemischen Prozessen gearbeitet, kann ein Filmbild damals eigentlich nicht so ausgesehen haben, oder? An den wenigen noch vorhandenen Primärfarben (blaue Lampe hinter Rampling gegen Ende des Films, rote Verkehrsschilder) sieht man, dass die Farbpalette bei WV noch intakt und natürlich ist. Beim Caps-Vergleich hat der Kofferträger in Bild 5 z. B. eine rote Weste an, die bei der Criterion jetzt violett ist. Da stimmt ja was nicht. Die Kontraste zwischen Normalszenen und Rückblenden fallen nun bei der WV etwas subtiler aus, ob so gewollt oder nicht, ich finde es ganz schön, den Szenenwechsel nicht mit dem Holzhammer präsentiert zu bekommen, sondern für wenige Sekunden sich erstmal orientieren zu müssen, in welcher Zeit die Handlung nun spielt. Ich finde das wirklich sehr gelungen!
Aber: ich weiß natürlich nicht zu 100%, ob die etwas wärmere, erdigere Farbpalette in den Normalszenen 1973 so intendiert war oder nicht.
Das Einzige, was ich etwas merkwürdig fand, war die Farbgebung bei einer der Rückblenden, glaube so ab Minute 30, wo zunächst die beiden Männer kopulieren und Rampling dann an Bogardes Fingern lutscht. Da wirkten die Hauttöne so merkwürdig zweifarbig, zwar einerseits korrekt gedämpft blass hautfarben, dawischen gab es aber auch Anteile der Haut, die wie leicht bläulich geschminkt aussahen. Das fand ich etwas unnatürlich, wird wohl ein gewollter Make-Up-Effekt sein...
Die Kompression ist überwiegend gut bis sehr gut. Auf 65 Zoll ist schon einiges, relativ gut aufgelöstes, meist auch recht schafes und bewegliches Filmkorn zu sehen. Insbesondere in den "schwierigen" Bereichen wie den Unschärfen im Hintergrund oder gleichmäßigen Flächen sind mir keine störenden Macroblocking-Effekte oder übermäßige digitale Artefakte aufgefallen. Das Encoding scheint also sehr gelungen zu sein. In statischen Einstellungen und in sehr dunklen Bildbereichen schlägt die Kompression dann m. E. etwas zu, da bewegt sich das Korn deutlich langsamer und es wirkt alles etwas digitaler. Vielleicht auch schon eine Filterung vor dem Encoding.
Die Kontraste sind überwiegend gut. Musste aber die Gamma-Kurve auf 2.4 stellen, weil sehr dunkle Einstellungen unter Gamma 2.2 sonst etwas aufgehellt aussehen. Die etwas schlechtere Durchzeichnung des Masters in den dunklen Bildbereichen ist dann auch ein Kritikpunkt meinerseits am Ausgangsmaster. Hier meine ich hätte man bei entsprechender Abtastung mit einem behutsamen HDR-Pass noch mehr herausholen können, also ein grundsätzlich sehr dunkles Bild nahe dem absoluten Schwarz, aber mit einer feineren Durchzeichnung der Grautöne. Und andererseits bei hellem, z. B. durch die Fenster knallendem Licht einen noch etwas höheren Kontrast. Aber was nicht im Master vorhanden ist, sollte man auch nicht mit einer künstlichen HDR-Kontrastspreizung Marke Eigenbau herbeiführen. In den mittelhellen Bildbereichen bei normaler Beleuchtung hat das Bild einen sehr guten, stimmigen Kontrast.
Der deutsche Ton war ok, jetzt nichts Besonderes, eben ein normaler Mono-Ton aus den 70ern. Glaub auch, irgendwann ist da mal ein leichter Filter drübergesetzt worden, man hört ein paar Artefakte beim Hintergrundzischen. Zum Ende des Films wird der dt. Ton dann etwas dumpfer, offenbar so in die angelieferte Tonspur eingebrannt. Die englische Spur habe ich nur kurz gehört, die Darsteller abseits der Hauptdarsteller sind ja auch gedubbed worden, so wie in Italien üblich. Bogarde und Rampling sprechen da interessanterweise mit Set-Ton, wobei auch nicht immer, wenn die italienischen Darsteller mit im Bild sind, sind auch sie manchmal durchsynchronisiert. Glaube, der englische Ton wird mich bei Zweitsichtung nur irritieren, schließlich spielt das Ganze in Wien, warum sollte jemand Englisch sprechen?
Der Film ist durchgehend deutsch und englisch untertitelt, die Extras, die ja bereits im Startposting aufgeführt wurden, ebenso.
Glaube, hier kommt ne wirklich tolle Veröffentlichung, in die extrem viel Herzblut geflossen ist und die auch international einige Aufmerksamkeit erlangen wird.
Zudem wird es eine Weltpremiere auf UHD sein, bin mal gespannt, wieviel natives 4K noch aus dem Master herausholen kann.
Natürlich wird es auf Blu-ray.com und anderswo Meckerer geben, dass die Farbgebung nicht 1000% korrekt ist. Ich werde aber keiner derer sein, ich fand die Präsentation sehr sehr überzeugend!
Eine Merkwürdigkeit noch: zwar wird am Anfang eingeblendet, dass der Film 1957 spielt, auf den Konzertankündigungen der Zauberflöte steht dann aber 1960...