Kino September 5 - The Day Terror Went Live 2024

  • Ersteller Ersteller bunghole
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Der 5. September 1972 war eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Mit erschreckender Naivität und grenzenloser Inkompetenz schafften es die deutschen Sicherheitsbehörden und die zuständigen Stellen, die bunten und fröhlichen Spiele von München in ein weiteres Massaker gegen Juden auf deutschem Boden zu verwandeln.
September 5 lässt uns diese erschreckenden Stunden nun aus der Sicht des Fernsehteams des US-Senders ABC mitverfolgen.
Neben vielen Originalbildern überzeugt der Cast des Films auf ganzer Linie.
Das Chaos, der Schock und die Überforderung werden sehr gut eingefangen und lassen den Zuschauer zum Teil des Teams werden, welches den sportlichen Teil der Spiele in die USA und rund um die Welt auf die Fernsehschirme brachte.
Bis zum 5. September, denn dann übernimmt das Sportteam von ABC spontan und völlig unvorbereitet auch den politischen Teil dieses dramatischen Tages.
Als jemand, der sich bereits intensiv mit diesem Thema beschäftig hat, war ich mit dem Film sehr zufrieden.
Er zeigt die dramatische Situation aus einem anderen Blickwinkel, den man in der Form bisher noch nicht gesehen hat.
Handwerklich und atmosphärisch top, ist der Film auch für Zuschauer interessant und spannend, die mit dieser Thematik bisher kaum in Berührung kamen.
Neben dem großartigen Juror #2 mein bisheriges Kinohighlight des noch kurzen Jahres.
8,5/10
 
Sieht interessant aus. Den Dokumentarfilm "Ein Tag im September" von 1999 fand ich schon sehr packend und das obwohl ich sonst eher weniger Dokus schaue. Das ganze hier aus einem anderen Blickwinkel zu beobachten ist sicher auch sehr aufschlussreich.
 
Hatte hierzu schon vor ein paar Wochen eine entsprechende Kritik im „Zuletzt gesehen…“-Thread abgesondert:

SEPTEMBER 5 - THE DAY TERROR WENT LIVE (D 2024, OmU, Regie: Tim Fehlbaum) 9/10

Es geht um den Tag, an dem 1972 in München die palästinensische Terrororganisation "Schwarzer September" im Olympischen Dorf israelische Olympiateilnehmer als Geiseln nahm. Erzählt werden die Geschehnisse aus der Sicht eines US-amerikanischen Fernsehteams des Senders ABC. Dabei wird weniger der terroristische Akt selber gezeigt. Vielmehr geht es darum, was in den Medien ethisch vertretbar ist, und wie man mit Bild- und Toninhalten verantwortungsvoll umgeht, die möglicherweise den Terroristen eine unwillkommene Bühne liefert, eine Thematik, die aktueller nicht sein könnte.

Trotz oder gerade wegen der beengten Kulisse zieht der Film einen schnell in seinen Bann, wie ein Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann. Obwohl jeder weiß, wie die Sache ausgegangen ist (deswegen muss man hier auch nichts in Spoiler packen), fiebert man die ganze Zeit mit (vergleichbar etwa mit APOLLO 13). Die geradezu klaustrophobische Enge des Fernsehstudios erinnert auch ein wenig an einen ähnlich gelagerten Film, 7500 von 2019 , der durchwegs in einem Flugzeugcockpit spielte. Doch war dort alles fiktiv, während hier schrecklich reale Ereignisse gespiegelt werden.

Der Film ist großartig mit extrem glaubwürdigen Darstellern besetzt: John Margaro, Ben Chaplin und Peter Sarsgaard als Vertreter des ABC-Fernsehteams, hin- und hergerissen zwischen Pflichterfüllung, Erfolgsdruck und Skrupeln, unterstützt und begleitet von einem engagierten Team, das bereit ist, alles zu geben, um die US-amerikanische Heimat als erste mit Live-Bildern zu versorgen. Als einzige der deutschen Sprache mächtige Mitarbeiterin vermittelt Leonie Benesch (bekannt aus dem letztjährigen Erfolgsfilm DAS LEHRERZIMMER) zwischen englischsprachigen Medienvertretern und deutschen Behörden. Der Film wurde auf englisch gedreht, und viele Szenen zeigen sie dabei, wie sie ihren Arbeitgebern deutschen Polizeifunk und Radio- und Fernsehbeiträge übersetzt. Sollte es tatsächlich eine komplett deutsch synchronisierte Fassung geben, bin ich gespannt, wie man das überbrücken will.

Künstlerisch ist hier vor allem die akribisch hergestellte Kulisse hervorzuheben. Die ganzen Requisiten aus den frühen 70ern, Kostüme, Möbel, Fahrzeuge, Monitore, Fernsehkameras, Bandmaschinen, Telefone zu finden und teilweise glaubwürdig in Betrieb zu nehmen, verdient größten Respekt. Die Kamera vermittelt perfekt die Enge und Düsterkeit des Studiokomplexes, die Tongestaltung baut auf Realismus und Intimität, die Musik ist sparsam aber auf den Punkt eingesetzt. Großartig vor allem der Bildschnitt, der Übersicht ins Chaos bringt und uns zu jeder Zeit ohne effektheischenden Schnickschnack die wesentlichen Momente zeigt, geschickt verwoben mit realen Dokumentarszenen. Das muss ein heftiger, auch logistischer Aufwand gewesen sein und erinnert bisweilen an die Intensivität der Montage von Oliver Stones JFK - TATORT DALLAS. (Der ganze Stab war übrigens vorwiegend mit hiesigen Mitarbeitern besetzt, und es wurde auch alles in Deutschland gedreht - hier haben deutsche Fördermittel also auch wirklich viele deutsche Filmschaffende in Arbeit gebracht.)

Man merkt - ich bin begeistert und könnte mir vorstellen, dass der Film nicht nur hierzulande beim deutschen Filmpreis Statuen abräumen wird, sondern ggf. auch für die eine oder andere Überraschung beim Oscar (Best Film Ediing z.B.) sorgen könnte. Derzeit läuft er offiziell regulär in Kinos in Los Angeles, damit er sich für die Oscars nächstes Jahr qualifiziert. (Bester fremdsprachiger Film kann er nicht werden, da er ja vorwiegend auf englisch gedreht wurde.) Eine Golden Globe-Nominierung hat er schon.

Der Film hatte seine Uraufführung übrigens bereits im August bei den Filmfestspielen von Venedig. Weitere Festivalstarts waren im Oktober beim Zürich Film Festival (der Regisseur Tim Fehlbaum ist Schweizer, und hat zuvor schon mit HELL (2011) und TIDES (2021) zwei passable Kinofilme abgeliefert), beim Chicago International Film Festival und einigen weiteren Gelegenheiten. Es gab auch schon einige Nominierungen. Der Schnitt steht dabei hoch im Kurs.

Dicke Empfehlung! :daumenhoch:

Edit: Zu meiner Anmerkung von damals „Sollte es tatsächlich eine komplett deutsch synchronisierte Fassung geben, bin ich gespannt, wie man das überbrücken will“ kann ich inzwischen sagen: Ja, es gibt eine deutsche Synchro, die sich in besagten Übersetzungsmomenten schwertut, das sinnvoll und glaubwürdig zu verkaufen. Ich empfehle daher ausdrücklich die englischsprachige Originalfassung.
 
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