David Gordon Green macht, was David Gordon Green eben so macht. Er schnappt sich gemeinsam mit Jason Blum und Danny McBride einen Horrorklassiker und verleiht diesem ein neues, modernes Gewand, vergisst dabei aber seine Wurzeln nicht und erschafft damit ein Mixtape für Jung und Alt, ohne dabei eine dieser Generationen zu 100% zufrieden zu stellen. Ergo: Wir haben es auch bei The Exorcist: Believer, dem ersten Teil einer Trilogie, wieder mit einem Publikumsspalter zu tun.
Das wurde mir auch direkt nach der Pressevorführung bewusst, als ich völlig euphorisiert aus dem Saal kam und direkt wieder zahlreiche negative Kommentare zu Ohren bekam. Die Geschichte wirft uns erst mal knapp 13 Jahre in die Vergangenheit zurück und konfrontiert uns mit einer Tragödie, die mich emotional sofort gepackt hat. Die Figurenbindung war sofort da und das änderte sich auch nicht mit der folgenden Stunde in der Gegenwart, in der ein alleinerziehender Vater das Leben für sich und seine Tochter im Teenageralter gestalten muss. Die Themen sind da und klar, werden aber nicht grundsätzlich zu Ende und auserzählt. Ein kleines Problem, das sich durch den kompletten Film zieht. Der Horror schleicht dann langsam in den Film, zunächst im Stile eines Crime-Thrillers, der durchaus unerwartet kam und mir sehr gut gefallen hat. In der Folge kommt es dann zum Glaubensclash zwischen einer atheistischen Sichtweise und einer christlichen, vielleicht sogar christlich-fundamentalistischen Perspektive. Hier kommt es zu Spannungen und Konflikten. Gut gemacht, interessant, aber am Ende auch nicht zu Ende erzählt. Grade weil es am Ende auf eine doppelte Besessenheit zweier Kinder mit unterschiedlichen Glaubenswurzeln hinausläuft, hätte man hier noch mehr rausholen können.
Der letzte Akt gehört dann dem üblichen Exorzismus, der durchaus mit ein paar spannenden und überraschenden Wendungen um sich wirft, die ich so teilweise nicht vorher gesehen hatte. Auch den Dilettantismus bei der Durchführung des Rituals fand ich erfrischend, inkl. des Marvel-Superhelden artigen Auftritts des Pastors. Der Showdown gestaltet sich erstaunlich konsequent, was ich ihm positiv anrechne. Auch Spannung war für mich mehr als ausreichend vorhanden. Leider erzählt sich das Finale recht hektisch im Vergleich zum angenehm ruhigen und eindringlichen Auftakt. Die Katharsis ist am Ende aber die übliche. Keine Überraschung. Das geschlossene Ende hat jedoch bei mir die Frage nach der Ausrichtung der weiteren zwei Filme gestellt. Da bin ich wirklich gespannt, da eigentlich keine wesentlichen Fragen offen bleiben.
In Sachen Legacy- und Requel-Thematik hält sich Believer erfreulich und erstaunlich zurück, obwohl der schwache Trailer im Vorfeld das Gegenteil suggerierte. Ja Ellen Burstyn ist für einen saftigen Paycheck widerwillig mit an Bord. Ihre Rolle beschränkt sich allerdings auf eine rechte kurze Screentime, kein Vergleich zu Jamie Lee Curtis in Gordon Greens Halloween Film. Linda Blair bekommt sogar nur eine Szene ab, die allerdings schmerzlich rührend daher kommt. Abgesehen davon ist die Handlung nur lose durch den Dämonen und eben Chris MacNeil miteinander verknüpft. Macht es den Film besser? Nein. Macht es den Film schlechter? Nein.
Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass DGG hier erkennbar die Halloween 2018 Schablone angelegt hat. Nicht nur erzählerisch, sondern auch audiovisuell. So erklingt das markante Mike Oldfield Theme in leichten Variationen nur dezent im Film. Außerdem unterscheidet sich der Film auch optisch kaum von seinen Michael Myers Geschichten, was auch an der der größtenteils deckungsgleichen Crew liegen mag. Ein wenig schade ist es schon, denn die Originalfilme von The Exorcist und Halloween hatten bei weitem weniger gemeinsam, als es die Neuauflagen bzw. Requels haben. Visuell wäre da sicherlich etwas mehr möglich gewesen als der übliche Blumhouse-Standard. Erzählerisch denkt man nach einer knappen Stunde noch, dass man hier eventuell doch etwas völlig neues erzählt bekommt, am Ende ist es aber dann doch einfach ein Film über einen Exorzismus.
Ist der Film nun gruselig? Schwierig zu sagen. Der Film hat eine fiese Grundatmosphäre, ist durchaus schaurig und schiebt immer wieder kleine dämonische und teuflische Inserts ein, die durchaus Angst machen können. Die Tragweite des Originals erreicht Believer aber fairerweise nie. Aber grade das grandiose Schauspiel der beiden Mädchen ( Olivia Marcum & Lidya Jewett) sorgt für einige Gänsehautmomente. Auch Leslie Odom Jr. spielt seine Rolle mit viel Impact, sehr lobenswert. Zu Beginn des Films gibt es drei oder vier lächerlich offensichtliche Jump Scares, die schlimmeres befürchten ließen. Zum Glück blieb es dabei. Lobenswert auch, dass der Horror hier nicht nach Copy/Paste-Verfahren funktioniert. Die besessenen Kinder machen hier keine Regan-Verrenkungen und speien auch nicht pausenlos grüne Erbsensuppe. Großartiges Make-Up, dämonische Beleidigungen und schaurige Einstellungen gibt es dennoch zu sehen.
The Exorcist: Believer ist wie viele Horrorfilme der letzten Zeit eben kein Genrebeitrag mehr, der für jeden von uns Horrorfans gemacht zu sein scheint. Der Film ist insbesondere für die jüngeren Generationen, die vielleicht gar keine Lust mehr auf das 50 Jahre alte Original haben, ein Update in die moderne Zeit. William Friedkin hätte den Film auf jeden Fall gehasst, nicht nur weil er die Besetzung von David Gordon Green schon über alle Maßen verurteilte. Der Film dürfte viele Fans des Originals verärgern. Obwohl es aus meiner Sicht gar nicht so viel Anlass dafür gibt. Ich selbst sehe das Original ja als einen meiner drei heiligen Horrorgrale an und trotzdem hat mir David Gordon Greens Film gefallen. Die erste Hälfte hat mir dabei gar hervorragend gefallen, in der zweiten Hälfte fällt der Film jedoch etwas ab. Einige Szenen (z.B. Angela in der Kirche) und Themen (multireligiöser Exorzismus???) behandelt der Film zu kurz und zu oberflächlich. Und vermutlich hätte Believer auch als von The Exorcist losgelöster Film besser funktioniert. Dennoch hat mich der Film mit seiner emotionalen Geschichte, dem funktionierenden Horror und seinen tollen Performances ziemlich gut abgeholt. Ich wurde sehr gut unterhalten und freue mich schon auf die nächste Sichtung, auch wenn am Ende alle angebrachten Kritikpunkte, auch von anderen Kritikern, berechtigt sind.